Das Telefon klingelte an einem Montagmorgen. Ich saß gerade am Schreibtisch und wollte loslegen, als das Jugendamt anrief.
„In unserer städtischen Klinik ist ein Mädchen geboren, das zur Dauerpflege mit Option auf Adoption freigegeben wird und das dringend Eltern sucht, da dachte ich an Sie “, sagte unsere Adoptionsberaterin. „Können Sie ihrem Mann Bescheid geben und sich direkt wieder bei mir melden?“, schob sie noch hinterher. Ab diesem Moment stieg ich aus meinem Alltag aus, alles wurde schwammig und ich zum lebenden Wasserwerk. In den Büromülleimer habe ich mich auch noch übergeben. Trotzdem kann ich mich an jede folgende Sekunde erinnern. Völlig neben mir rief ich den Gatten in der Agentur an. Meine ersten Worte waren (nachdem ich ihn ausdrücklich aus einem Meeting hatte zerren lassen): „Sitzt du? Es gibt da ein Baby…“.
Am nächsten Morgen fuhren wir direkt zum Jugendamt, um vorab ein paar Fragen zur Herkunftsgeschichte zu klären und schließlich kam der Satz der Sätze: „Möchten Sie das Kind kennenlernen?“. „Ja, wann?“, schoss es aus uns heraus. „Jetzt!“, grinste die resolute Frau vom Amt. Auf dem Weg zum Krankenhaus kreisten tausend Gedanken durch meinen Kopf, ich hatte plötzlich noch so viele Fragen, war so unsicher und doch so freudig aufgeregt. Übel war mir auch wieder. Der Gatte sagte nichts mehr und wurde immer blasser. Ich war wirklich froh, dass die Frau vom Jugendamt das Auto fuhr. Der Weg durch die Klinik zur Kinderstation fehlt in meiner Erinnerung. Ich sehe uns zwischendurch alle in einem Aufzug stehen. Dann auf der Säuglingsstation.
Und da lag sie in ihrem Bettchen. Zu klein, zu leicht, zu allein – zu schön, um wahr zu sein. „Hallo“, sagte der Gatte ganz zart und strich über ihren winzigen Kopf. Viele Tränen flossen um diesen kleinen neuen Menschen. Es war gerade Fläschchenzeit und eine Krankenschwester fragte, ob wir füttern möchten. Natürlich wollten wir – unser – Kind füttern, was für eine seltsame Frage. Ich nahm meine Tochter aus ihrem Babybett. Sie duftete ganz wundervoll und ihre Haut fühlte sich unendlich zart an. Friedlich trank sie Zug um Zug, danach schlief sie selig in meinen Armen ein. Der Gatte hielt die ganze Zeit ihre Hand. Noch nie hatte ich so intensiv gefühlt. Die Dame vom Jugendamt und die Schwestern waren längst gegangen. Papierkram hatten sie uns dagelassen. Jede Menge. Wir saßen Stunden einfach so da. Alles war richtig. Keine Fragen mehr. Keine Unsicherheit. Keine Aufregung. Keine Übelkeit. Nur wir drei. Nur dieses Kind. Für immer. An diesem Abend verließen wir das Krankenhaus als Familie.
Ich erinnere mich gut. ❤️