Morgenstund – oder auch: Wo ist mein Kaffee

Kurzvorstellung: Katja Zinnecker

Neben meiner Tätigkeit als Adoptiv- und Pflegeelternberaterin bin ich freie Texterin, Redakteurin, Strategin und Coach. Und wenn ich nicht gerade arbeite, sitze ich in einer Weiterbildung und jongliere unseren Familienalltag. Ich lebe mit meinem Mann und meinen beiden Kindern in Wiesbaden. Heute nehme ich euch mit in einen ganz normalen Start in die Woche. Besonderheiten? Der Ehemann muss nach Jahren im Homeoffice tageweise wieder ins Büro, die große Tochter befindet sich Dank Pubertät im Hirnumbau und die kleine Tochter hat eine Schwäche für harten Rock `n` Roll. In diesem Sinne: Hey, ho, let’s go!

6:15 Uhr

Der Wecker klingelt, der Mann steht auf, bringt mir wie schon seit knapp 20 Jahren einen Milchkaffee ans Bett und weckt mich mit Streicheleinheiten. Und damit hört die Romantik auch sofort wieder auf. Der Nacken ist verspannt, die Haare stehen zu Berge, die Augen gehen nicht auf und der Zeitdruck ist akut. Während der Mann in der Küche stumm die Trinkflaschen und Schulbrote der Kinder fertig macht und duschen geht, wanke ich zur Küchenablage und schnippele Unmengen an Rohkost und Obst für Kinder und Meerschweinchen. Ganz nebenbei versorge ich zwei Katzen, die laut miauend an mir kleben. Achtung, fellige Stolperfallen! Im Ehe-Duett geht es weiter: Brote schmieren, Rucksäcke packen, Schulsachen kontrollieren, Termine abgleichen, Katzentoiletten reinigen… Immer mit dabei – meine Kaffeetasse, die ich gerne irgendwo abstelle, vergesse und dann verzweifelt suche. 

6:50 Uhr

Ich wecke sanft das große Tochterkind. Nicht wirklich erfolgreich. Das erste Kissen fliegt, gefolgt von lautstarkem Gezeter und 1000 vertonten Gründen, warum Aufstehen jetzt unter keinen Umständen möglich ist. Außerdem ist es zu hell. Ich klammere mich an meiner wieder gefundenen Kaffeetasse fest, atme und wage nicht, das Licht anzumachen. Währenddessen tapst das kleine Töchterchen laut „Mamaaaa“ rufend durch den Flur. Unter den wilden langen Locken ist kaum Kind zu erkennen. Was ich erkenne, ist verschlafen und muss dringend wach gekuschelt werden. Jetzt haben alle Hunger. Der Mann und ich bekommen am frühen Morgen keinen Bissen herunter. Aber, wo zur Hölle ist meine Kaffeetasse schon wieder abgeblieben?!

7:00 Uhr

Wie immer isst die Große zu wenig und die Kleine zu viel. Jetzt ist der Part „alle-müssen-sich-anziehen“ dran. Während die Große zu ohrenbetäubend lauter Musik Outfits raussucht, liegt die Kleine wieder im Bett. Mit dem schlagenden Argument, es sei ihr alles zu früh. Außerdem mag sie die Musik der Schwester nicht. Zu wenig Schlagzeug. Bass sei auch kaum vorhanden. Ich versuche die große Tochter davon zu überzeugen, dass man Musik auch etwas leiser hören kann und die Kleine davon, das Aufstehen jetzt wirklich notwendig ist, wenn sie pünktlich in der Schule ankommen möchte. Ich locke sie mit den Klängen der Foo Fighters und rausgelegten Klamotten. Leben durchströmt den Kinderkörper. Die große Tochter kämmt versonnen ihr Haar und flucht wie ein Gangster-Rapper, weil es nicht sitzen will. Ich frage mich, ob sie auf dem Weg zur Schule oder zur Fashion Week ist. Ich verkneife mir ein lautes Lachen und lächle milde. Entfalte dich, Kind, aber schnell, verdammt!

7:15 Uhr

Der Ehemann kommt frisch, aber weiterhin müde aus dem Bad. Wir versichern uns zwischen Tür und Angel, dass Familie gründen eine tolle Idee war und wir, wenn die Kinder aus dem Haus sind, wieder ausschlafen werden. Mir fällt wie jeden Morgen schlagartig auf, dass alle Familienmitglieder mittlerweile vorzeigbar aussehen – nur ich nicht. Ich stehe immer noch im Schlafshirt und mit meinem zweiten Kaffee völlig zerzaust im Flur. Die große Tochter tuscht mittlerweile akribisch Wimpern, die kleine ist immer noch nicht angezogen, spielt dafür aber beherzt Luftgitarre und erklärt meinem Mann, dass sie dringend ein Schlagzeug in ihrem Zimmer braucht. Die Große droht mit sofortigem Auszug, der Mann überlegt, was wir mit all den Sachen im Keller machen, wenn daraus demnächst ein Proberaum wird. Ich überlege kurz, ob ich auswandern soll, beschließe aber erstmal unseren kleinen Rockstar in spe anzuziehen, sonst wird das nichts mit Schule heute. Mit dem Proberaum auch nicht. Danach springe ich in Windeseile unter die Dusche und schminke mir ein neues Gesicht. Ich weiß: Selbstfürsorge ist kein Schaumbad, aber so ein bisschen Farbe hier und Fake da machen mich glücklich. Meine große Tochter weist mich im Vorübergehen noch kurz darauf hin, dass ich wohl zu viel Concealer aufgetragen hätte, er betone zu sehr meine Augenfältchen. Ich sage es mal so: Pubertier zu verschenken! 

7.30 Uhr

Alle raus, aber flott! Der Schulbus wartet nicht. Und selbstverständlich fällt beiden Kindern genau jetzt ein, was sie alles vergessen haben in Ranzen und Rucksack zu packen. Ob Kopfhörer, Müsliriegel, Haarbürste oder Kuscheltier – alles wird in letzter Sekunde unter hektischem Gezappel und Gezanke gesucht, aus Schränken, Kisten oder Bädern gerissen. Und… hups… Zähneputzen wurde auch ganz vergessen. Und die Schuhe, ja, wo sind die denn bloß abgeblieben? Der Mann steht mittlerweile schon mit seinem ganzen Fahrradkram im Treppenhaus und folgt dem Schauspiel in einer Seelenruhe, die ich nicht besitze. Unter tatkräftigem Einsatz befördere ich beide Kinder mit all ihrem Utensilien und Schuhen in der Hand durch die Wohnungstüre – und fange anschließend noch die getürmte Katze ein. Dann schließe ich die Tür von innen. Es. Ist. Geschafft! Die Stimmen im Treppenhaus werden leiser, das Fiepen in meinen Ohren auch. Es ist nicht mal acht Uhr morgens und ich bin schon fix und alle. Kommt euch bekannt vor, oder?

8:15 Uhr 

Ich setzte mich an den Rechner. Links neben mir die eine Katze, auf der Heizung hinter mir die andere. Rechts neben mir der mittlerweile kalte zweite Kaffee. Mein Tag beginnt mit einem wichtigen Telefonat. Eine kinderlose Kollegin ist dran und flötet: “Guten Mooorgen, schön entspannt in den Tag gestartet heute?“ Ich atme tief in den Bauch, bevor ich antworte – und liebe sie trotzdem!


10 Gedanken zu „Morgenstund – oder auch: Wo ist mein Kaffee“

  1. I totally feel you.
    Allerdings habe ich hier das andere extrem. Ganz oft ist mindestens ein Kind VOR meinem Wecker wach. Auch am Wochenende. Lass uns mal eine Woche tauschen. 😉
    Wobei ich nicht glaube, dass eines von beidem irgendwie leichter wäre.

  2. @nadine
    Bei uns ist es der Klassiker: unter der Woche kommt kein Kind raus aus den Federn, am Wochenende hat mindestens ein Kind ab 6:00 Uhr Hunger und Spieltrieb… 🤪

  3. Bei uns: Kind hat morgens alle Zeit der Welt! Beispiel: Bus fährt in 4 Minuten, Kind muss noch Zähne putzen, Schuhe anziehen, aufs Klo und geht in aller Seelenruhe ins Kinderzimmer um irgendein Spielzeug zu suchen…beneidenswert, diese völlige Zeit-Stress-Ignoranz😂

  4. Bitte, bitte wieder mehr Kolumnen von dir. Ich erinnere mich noch an euren ziemlich erfolgreichen „Weniger ist mehr Blog“ vor ca 12 Jahren. Ich habe den so gerne gelesen und mich immer auf neue Posts gefreut.

  5. Ach Katja, es ist einfach so herrlich erfrischend zu lesen. Man kann wirklich jeden morgendlichen Abschnitt nachempfinden. Aber wirklich, wo zum Teufel ist der Kaffee? Mittlerweile ist es ein Eiskaffee 😂 Trotz fieser Bronchitis, hab ich dank dir, lange und herzhaft gelacht. Bitte mehr davon.

  6. @ Duygu, ich wünsche dir gute Besserung und freue mich, dich zum Lachen gebracht zu haben. Und da Mensch sich als Elternteil so oft entscheiden muss zwischen Lachen und Heulen ist Humor doch immer die bessere Variante. Kinder, was würden wir nur ohne sie machen?! Ausschlafen vielleicht….

  7. Herrlich Katja! So chaotisch geht es bei uns auch jeden Morgen zu…ich frage mich immer ob noch früher aufstehen die Lösung ist? Aber an Tagen wo das gelingt schaffen wir es trotzdem nur minimal früher zur Schule…

  8. @vera, ich glaube, das soll alles so. Egal, wie Eltern es anstellen, es bleibt immer irgendetwas auf der Strecke (und wenn es nur die eigenen Nerven sind). Das ganze Elternding ist der größte Gelassenheitstest ever!

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